Die Nachkriegszeit – Bedeutung für die Göttinger Jugend

An dieser Stelle wurden einige ausgewählte Informationen aus der Zeit nach dem Ende des Krieges zusammengestellt. Die Informationen beschreiben die zahlreichen Beschränkungen und Beeinträchtigungen für die aufkeimende Jugendarbeit, wie Ausgehverbot und die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, aber auch die Aktivitäten der Militärregierung zu Jugendthemen.

Weiterführende Literatur:
In unserem Stammesarchiv werden einige interessante Bücher zu diesen Themengebieten aufbewahrt, die gerne ausgeliehen werden können.



Ausgehverbot der Militärregierung Ausgehverbot der Militärregierung

Ausgehverbot

Eine der ersten Beschränkungsmaßnahmen, die die Zivilbevölkerung von der Militärregierung auferlegt wurden, war ein Ausgehverbot während der Nachtstunden. Unmittelbar nach der Besetzung durfte sich kein Zivilist zwischen 19.00 Uhr abends und 6 Uhr morgens auf der Straße sehen lassen.
In den kommenden Wochen wurde dies Verbot ein wenig gemildert, sodass ab 8. Mai 1945 die Beschränkung nur zwischen 21.00 Uhr abends und 5.00 Uhr morgens galt.

Am 2. Juni ließ der kommandierende Offizier, Major Wilson, bekannt machen:

„Hätte die Göttinger Bevölkerung die Bestimmungen über das Ausgehverbot während der letzten zwei Wochen befolgt, so wäre eine Verlängerung der Ausgehzeit bewilligt worden. Da das nicht der Fall ist, werden die Bestimmungen über das Ausgehverbot wie bisher bleiben, und zwar 21 Uhr bis 5 Uhr Ausgehverbot. Sofern keine Übertretungen dieses Verbots vorkommen und die Bevölkerung sich während der besagten Stunden in den nächsten Tagen, d. h. am 1., 2., 3. und 4. Juni von der Straße fernhält, dürfte eine Verlängerung der Ausgehzeit in Erwägung gezogen werden.“

Offensichtlich nahm sich die Göttinger Bevölkerung diese Warnung zu Herzen, denn schon vier Tage später wurde im „Göttinger Mitteilungsblatt“ verkündet:

„Da die Göttinger Bevölkerung während der letzten Probetage die Ausgehbestimmungen eingehalten hat, wird die Ausgangsbeschränkung ab heute wie folgt geändert: Von 22.30 Uhr bis 5.00 Uhr früh.“

In den Sommermonaten wurden die Ausgehzeiten für die Zivilbevölkerung nach und nach verlängert, mit Herbstbeginn wieder verkürzt. Nur in den Nächten zwischen dem 24. und 26. Dezember sowie in der Silvesternacht wurde die Ausgangssperre völlig aufgehoben.




Beschränkung der Bewegungsfreiheit

Nach der Besetzung wurde es jedem deutschen Einwohner untersagt, sich weiter als sechs Kilometer von der Stadtgrenze zu entfernen.

Nach der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 wurde die Sechs-Kilometer-Beschränkung aufgehoben, doch durfte niemand seinen Wohnsitz ohne Passierschein verlassen. (Ausnahmen wurden von der Militärregierung nur auf dringendste Fälle beschränkt).

Ab 6. Juni 1945 durften sich dann alle Göttinger Bürger wieder innerhalb des Landkreises frei bewegen, mussten jedoch stets im Besitz gültiger Ausweispapiere sein. Wer seinen Landkreis verlassen wollte, musste zuvor einen begründeten Antrag stellen.

Die „Freigrenze für den Passierscheinzwang“ wurde am 07.06.1945 auf 30 km ausgedehnt, einen Monat später auf 100 km.

Ab 13.08.1945 durfte man in der gesamten britischen Zone uneingeschränkt umherreisen.

Das Überschreiten der Grenzen zwischen den westlichen Besatzungszonen ohne Passierschein war allerdings erst ab März 1946 erlaubt. Reisen ins Ausland waren natürlich nur mit Genehmigung der Militärregierung erlaubt.



Besatzungszonen Besatzungszonen

Pfadfinder unter der Militärregierung

Die Geschäftsübergabe von den Amerikanern auf die Engländer erfolgte sehr bald nach dem Kriegsende in Göttingen. Göttingen gehörte damit zur britischen Zone.

Pfadfinder in den Besatzungszonen

In vier Besatzungszonen wurde Deutschland nach dem Zusammenbruch aufgeteilt. Die Militärregierungen der Besatzungsmächte bestimmten, was in ihrer Zone zu geschehen hatte. Ihre Gesetze und Verordnungen regelten das Leben der Bevölkerung. Jugendgruppen bedurften einer Lizenz, wenn sie arbeiten wollten. Gegenüber den Pfadfindern verhielten sich die vier Besatzungsmächte recht unterschiedlich.

In der sowjetischen Zone war an Pfadfinderarbeit nicht zu denken. Die sogenannte „Freie Deutsche Jugend“ beanspruchte schon bald für sich das Privileg der Staatsjugend.

In der amerikanischen Zone wurden hingegen bereits 1946 erste örtliche Lizenzen für Pfadfindergruppen ausgestellt.

In der britischen und französischen Zone jedoch bestand der überaus seltsame Zustand, der die Pfadfinder offiziell verbot und sie gleichzeitig inoffiziell gestattete.




Es gab auch in der schwierigen Zeit Lichtblicke:

Um die Jugendarbeit in der Stadt Göttingen kümmerte sich Major Oldham. Er war in der Stadt sehr beliebt.

In der Stammeschronik befindet sich ein Bericht von einem Besuch des vorstehend genannten Majors während einer Gruppenstunde der Göttinger Pfadfinder. Auch entwickelten sich im Laufe der Zeit weitere gute Kontakte zwischen den Pfadfindern und den Engländern.
Hierüber berichten wir an den entsprechenden Stellen in unserer Chronik.




Persönliche Botschaft Montgomerys an die deutsche Bevölkerung vom 6. August 1945

Der Oberbefehlshaber der britischen Besatzungstruppen, Feldmarschall Montgomery, richtete eine persönliche Botschaft an die Bevölkerung der britischen Zone.

„Ihren Kindern fehlt es z. Z. an Jugendorganisationen, an Schulungs- und Erziehungsmöglichkeiten. Ich beabsichtige, die Bildung freiwilliger Jugendorganisationen zu fördern, die religiösen, kulturellen und gesundheitlichen Bestrebungen sowie Erholungszwecken dienen. Schulungs- und Ausbildungsmöglichkeiten werden sobald wie möglich geschaffen werden.“




Die Situation der Schulen in Göttingen

Der Schulunterricht war schon vor dem Einmarsch der Besatzungstruppen in Göttingen immer mehr zum Erliegen gekommen.
Die Militärregierung ordnete die sofortige Schließung aller Schulen an.
Es sollten zunächst die Voraussetzungen für einen Neubeginn in ihrem Sinne geschaffen werden. Unter anderem die Überprüfung der zu verwendenden Schulbücher, die Aufstellung von Unterrichtsplänen sowie die Gewinnung von geeigneten Lehrkräften. Fast alle Schulgebäude in Göttingen wurden überwiegend für andere Zwecke, z. B. als Lazarette, genutzt.

Nach vielen Vorarbeiten konnten dann am 1. September die Volksschulen als Erste wieder beginnen. Die höheren Schulen folgten kurz danach ab Oktober 1945.
Allerdings war der Unterricht zunächst nur sehr eingeschränkt möglich. Beispielsweise fehlte es an ausreichendem Mobiliar, genügend Heizmaterial sowie ausreichend Strom usw. Ein weiteres großes Problem stellte der Lehrermangel dar.



Katholische Bekenntnisschule in Göttingen

Im Sommer des Jahres 1941 war bereits die katholische Bonifatiusschule aufgelöst worden. Es gab ab diesem Zeitpunkt nur noch Gemeinschaftsschulen, die dann von den katholischen Kindern besucht wurden.

Trotz aller Anstrengungen kirchlicher Stellen sowie der katholischen Elternschaft gab es zunächst keine Genehmigung für die Wiedereinrichtung der Bonifatiusschule.

Nach langen Kämpfen und engagierten Bemühungen sollte dies erst wieder am 28. Mai 1947 möglich werden.




Stadtjugendpfleger für Göttingen ernannt

Ende August hatte die englische Militärregierung die zuständigen deutschen Stellen aufgefordert, mit der Jugendarbeit zu beginnen. So wurde dann am 14. November in Göttingen Hermann Schmalstieg zum Stadtjugendpfleger ernannt.

Aufruf Schmalstiegs an die Jugendlichen in Göttingen im November 1945:

Jungen und Mädel! Man gibt euch eine Chance, man bietet
euch einen Neuanfang.

Haltet euch das bewusst!

Ihr waret alle mehr oder weniger in der HJ und im BDM. Die
einen begeisterter, die anderen nicht. Ihr wisst, diese Zeit ist
vorbei, sie kommt nicht wieder. Wir können diese Zeit zwar
nicht fortwischen und wollen das auch nicht tun. Ich weiß
auch, dass ihr mehr oder weniger noch zusammenhaltet, zu-
mindest euch kennt durch eure früheren Zusammenschlüsse.
Auch Freundschaftsbande werden euch zusammenhalten. Das ist
kein Verbrechen. Es braucht niemand von euch zurückzustehen,
oder denken, er müsse das Licht scheuen.
Daß man euch für Ideale einspannte, die keine echten waren,
das konntet ihr nicht übersehen und überblicken. Aber ihr
habt euer leicht entzündbares junges Herz, blindlings einer
Sache hingegeben. Nun habt ihr eine Enttäuschung erlebt, das
ist bitter für euch.

Jungen und Mädel, kommt zur neuen Jugendbewegung, lasst uns
Fühlung miteinander nehmen und gemeinsam nach neuem Leben
suchen.
In allem will euch behilflich sein.

Euer Jugendpfleger

Quelle: Göttinger Stadtarchiv, C64, Nr. 1, Bl. 10