Vom Werden der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg

Die katholischen Pfadfindergruppen wollten ein deutsches katholisches Pfadfindertum aufbauen, das auch die Werte der katholischen Jugendbewegung aufnimmt. Sie strebten eine eigenständige Entwicklung und Formgebung an. Weiterhin bestand Klarheit darüber nur in Verbindung mit dem größten Verband katholischer Jungen, dem Katholischer Jungmännerverband (KJMV) kann die katholische Pfadfinderarbeit beginnen. Durch ihre Eingliederung in den Jungmännerverband sollte eine Zersplitterung katholischer Jugend, die durch einen selbstständigen Bund entstanden wäre, vermieden werden. Dieses Ansinnen, etwas Neues zu schaffen, war allgemein als nicht sehr einfache Aufgabe in Bezug auf die festen Strukturen des Verbandes beurteilt worden.

In dieser Phase wurde Pfarrer Dr. Hörle aus Frankfurt zu einer der ideengebenden und treibenden Kraft für den rechten Aufbau der katholischen Pfadfinder. Er bot an, diesbezüglich Kontakt mit dem Jungmännerverband aufzunehmen. Weiterhin veröffentlichte er in der Septemberausgabe des „Jungführer“ einen umfangreichen Aufsatz mit der Überschrift: „Katholisches Pfadfindertum“ über deren Ziele und Aufgaben einschließlich einer ersten Prüfungsordnung für Pfadfinder.

Seine intensiven Bemühungen um einen Anschluss an den Katholischen Jungmännerverband hatten Erfolg. Am 7. Oktober 1929 kamen im Haus Altenberg führende Priester und Laien der katholischen Pfadfindergruppen zusammen und gründeten die

„Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg“

die am selben Tag vom Verbandsausschuss auf Probe als Gliederung in den Katholischen Jungmännerverband aufgenommen wurde. Die Gemeinschaftsform der Pfadfinder wurde gutgeheißen und empfohlen.

Gleichzeitig wurde die Bundeskanzlei von Beuthen nach Wuppertal-Elberfeld verlegt. Diese erste Anerkennung der DPSG ist vor allem der klugen und wohlwollenden Förderung durch Generalpräses Ludwig Wolker zu verdanken. Ein Wermutstropfen soll nicht verschwiegen werden. Die schlesischen Pfadfindergruppen hatten sich mehr erhofft, vor allem eine sofortige Anerkennung der Pfadfinder als eigener Bund, und sie sind dann eigene Wege gegangen.

In den nächsten Monaten stand die DPSG vor der großen Herausforderung, sich nun innerhalb des „Probejahres“ als Verband zu organisieren. Ein Meilenstein auf diesem Weg war die:

Reichsführertagung der DPSG in Altenberg, 22.-23. Februar 1930.

Während der ersten Führertagung (Reichsthing) der DPSG kam es zu wichtigen Entscheidungen. Festgelegt wurden das Gesetz, die vorläufige Bundesordnung, die Tracht und der organisatorische Aufbau. Generalpräses Wolker berief Willi Werner zum Reichsfeldmeister und Emmerich Wolter zum Reichskurat.

Ein weiterer wesentlicher Punkt des Arbeitsplanes dieser Tagung stand unter dem Thema:

Pfadfinder und Jungmännerverband.

Der in Abschrift vorgestellte Bericht verdeutlicht eindrücklich, wie unklar die damalige Situation mit der Gründung der DPSG und ihrem Verhältnis zum Jungmännerverband bei vielen anwesenden Führern ausgeprägt war.

„Punkt 1 brachte eine lange und schwierige Aussprache. Die Forderung des Generalpräses (Wolker) ist klar und eindeutig: Die Pfadfinder sind gleichberechtigte und -verpflichtete Mitglieder des Jungmännerverbandes. Das ist der Beschluss des Verbandsausschusses vom Oktober 1929. In den Führerkreisen stimmte man im Grunde genommen allenthalben dieser Forderung zu, doch war man sich auch über die Schwierigkeiten klar. Die verschiedenen Meinungen platzten hier zum Anfang der Debatte heftig aufeinander – der Verhandlungsleiter hatte ja mit dem schwierigsten Punkt, aber in aller Ehrlichkeit und Geradheit begonnen. Es bestanden noch manche Missverständnisse. Nicht überall ist den Feldmeistern verantwortliche Mitarbeit zugesichert. Viele Präsides stehen überhaupt dem demokratischen Aufbau des Verbandes fern und glauben, alles allein machen zu müssen, sodass den Führern keine Möglichkeit gegeben ist, sich auszuwirken. Andere Präsides sind der Pfadfinderei abhold und entziehen ihre Förderung und Hilfe. Andererseits haben Führer eine unverständliche Angst vor dem geistlichen ‚Präses‘. Ihr Fehler ist es, dass sie in dem Präses nur den ‚geistlichen Berater‘ sehen und ihn in den ‚weltlichen Fächern‘ sozusagen ausschalten. Dann war der Begriff Jugendverein bei manchen sehr verschwommen. Es ist klar, dass der Pfarrjugendverein nicht überall das ist, was er nach den Grundsätzen sein soll. Er darf auf die Masse nicht verzichten. Pfadfindergruppen heben sich da und dort merklich von dem sanften und weichen Gebilde mancher Jugendvereine ab. Aber das alles ist nur örtlich, und mit solchen Schwierigkeiten haben nicht nur die Pfadfinder, sondern auch D.J.K.,ler (Deutsche Jugendkraft) und die Sturmschar zu rechnen. Jetzt aber darf der Bund der Pfadfinder sich nicht einiger Schwierigkeiten wegen, die beseitigt werden können, loslösen oder den Jungmännerverband als Dachverband benutzen, sondern jeder Pfadfinder gehört zum ‚Jugendreich der Gotteskinder‘, folglich auch zum Jugendverein der Pfarrei, und jeder Führer gehört zur Führerschaft dieses Vereins.
Nach langer Aussprache, in der erfreulicherweise jeder ehrlich seine Meinung vorbrachte, sah man dieses ein. Alle stimmten der Forderung des Generalpräses zu und gaben damit auch zum Ausdruck, nunmehr bereit zu sein, Ordnung zu schaffen und nach Kräften mitzutun. Andererseits sicherte die Verbandsleitung zu, der Pfadfinderei Recht und Freiheit zu schaffen, wo immer die neuen Stämme und Sippen sich mit ehrlichem Willen in den Verband eingestellt haben.“

Quelle: Rundbrief Nr. 2 vom April 1930

Zwei wichtige Aufgaben waren der neuen Reichsführerschaft gestellt:

Erstens: Organischer Aufbau der Gruppen und Einbau der Stämme in die Jungmännervereine.
Um die erste Aufgabe zu bewältigen, wurden die Rundbriefe ins Leben gerufen. Vor allem aber standen die persönlichen Verbindungen der Reichsführung mit allen Gruppen des Reiches im Vordergrund.

Führerkurse, Exerzitien und Zeltlager schufen bald eine feste Grundlage für eine einheitliche und ordnungsgemäße Pfadfinderschaft.

Zweitens: Gestaltung des Pfadfindertums als katholisches Jungentum.
Die zweite Aufgabe konnte nur bei langsamem Wachsen, bei scharfer Auslese der Neulinge und bei hohen Anforderungen an die Einzelnen durchgeführt werden. Es wurde die Parole ausgegeben: Wir werben nicht.
Man wollte sehen, ob katholisches Pfadfindertum in sich die Kraft habe, andere zu begeistern und in die katholische Jugend zu rufen.

„Es gelang!
Der Pfadfindergedanke zündete im ganzen Reich.

- Am 20. Juni 1931 wurde zu Trier die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg in feierlicher Weise in
  den Katholischen Jungmännerverband Deutschlands aufgenommen.
- Seit diesem Tage von Trier ist das Interesse für das Pfadfindertum in katholischen
  Kreisen erst recht gewachsen
.“

(Reichskurat Emmerich Wolter)