Geburtsstunde des Stammes            



„Aller Anfang ist schwer“

Wie aus dem Bericht zur Vorgeschichte des Stammes zu erahnen ist, verfolgte Kaplan Bertram zielstrebig die Idee, in Göttingen einen Pfadfinderstamm der Georgspfadfinder aufzubauen.
Die Ziele, die sich die DPSG gesetzt hatte, kamen seiner Vorstellung einer zukunftsorientierten Jugendarbeit sehr entgegen.
Unterstützt wurde sein Bestreben sicherlich durch die vermehrt erschienen Berichte in Wort und Bild über die Aktivitäten der katholischen Pfadfinder im Deutschen Reich, wie z. B. in der Zeitschrift „Die Wacht“.

Göttinger Stammesgründung erfolgte im „Probejahr“ der DPSG
Die DPSG im Deutschen Reich befand sich zu der Zeit noch im sogenannten „Probejahr“, wie es der erste Reichskurat Emmerich Wolter einmal ausdrückte. Am 7. Oktober 1949 wurde die DPSG zunächst auf Probe als Gliederung des Katholischen Jungmännerverbandes aufgenommen.
Aber schon kurze Zeit nach dem Beginn der DPSG in Göttingen sprach die 6. Reichstagung -18.-22.Juni 1931 - des Katholischen Jungmännerverbandes (KJMV) feierlich die gleichberechtigte und gleichverpflichtete Bestätigung der DPSG als Gliederung des KJMV aus.

Hans Sandbothe, erster Stammesführer, formulierte es wie folgt:

„Im Jahr 1930 war ich mit dem katholischen Jünglingsverein von Göttingen bei dem Diözesanjugendtreffen in Lamspringe als Teilnehmer anwesend. Ja, so hießen wir damals. Die Jugendbewegung war damals im Gären. Aus Braunschweig stellten sich die ersten Gruppen der Sturmschar mit ihren silbergrauen Hemden und Kitteln vor. Sie waren die ersten Gruppen in Kluft im katholischen Jungmännerverband. Aber unserem Präses, Kaplan Bertram, war die Sturmschar nicht straff genug organisiert. Er gründete mit uns Jungen den Stamm der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg.“



Erstes Treffen

Hans Sandbothe und Kaplan Bertram

Kaplan Bertram und sieben Jungen, Lehrlinge im Alter von 17 Jahren, setzten sich eines Abends im Februar in dessen Wohnung zusammen und schmieden die erste Sippe.

Mit der Stammesleitung wurde Hans Sandbothe von Kaplan Bertram beauftragt, er selbst wurde der erste Kurat des Stammes.

Mit dabei waren Georg Klümpel und Heinz Bein. Die Jungen der ersten Stunde waren vorher im „Katholischen Jünglingsverein“ der Gemeinde St. Michael aktiv.



„Learning by doing“

Bevor sich der Stamm erstmals in der Öffentlichkeit präsentierte, war zunächst eine möglichst gute Vorbereitung auf die „Pfadfinderei“ geplant.

Der Stamm Göttingen war der erste Stamm in der Diözese Hildesheim.

Wie also sollte diese Vorbereitung denn gestaltet werden?

Göttinger Pfadfinder in Höxter Göttinger Pfadfinder in Höxter

Kaplan Bertram hatte sicherlich über die Reichsleitung in Erfahrung gebracht, dass der nächstliegende Stamm der DPSG in Höxter (gegründet 1929) beheimatet war. Dort lebte auch ihr Stammesführer Anton Breitenstein, später der erste Landesfeldmeister des Landes Paderborn. Dieser machte sich von Höxter per Fahrrad auf den Weg nach Göttingen, (eine Tour ca. 70 km) um die Neulinge zusammen mit ihrem Kuraten ein wenig in das A und O der DPSG einzuführen.

Der Stamm Höxter im Erzbistum Paderborn galt den Göttinger Pfadfindern als Vorbild, mit dem gute Kontakte gepflegt wurden.
Später waren auch die Göttinger Pfadfinder in Höxter zu Besuch und man veranstaltete gemeinsame Lager und Fahrten.


Ergänzend zu den persönlichen Kontakten vermittelten österreichische und englische Hefte weiteres Wissen um das Wesen der Pfadfinderei. Der Rückgriff auf ausländische Pfadfinderliteratur mag zunächst erstaunen, liegt aber darin begründet, dass die DPSG bis zu diesem Zeitpunkt noch sehr wenig eigene schriftliche Werke anzubieten hatte.



Besonders beliebt waren in der DPSG die Materialien des „Österreichischen Pfadfinderkorps St. Georg“, der katholischen Pfadfindern in Österreich (gegründet 1926). In unserem Archiv haben sich über die Kriegswirren hinaus einige Hefte des „Pfadfinderführers“ erhalten. Exemplarisch hier das Heft Nr. 1 von 1931.




Auch sehr beliebt war das Büchlein der Österreicher „Wie man Jungpfadfinder wird“. In der Führerzeitschrift der DPSG „St. Georgspfadfinder“ von Jan/Febr. 1933 wird berichtet:
„… Das Heft ist in mehreren tausend Stücken in unseren Reihen“.








Im Gegenwind

An dieser Stelle soll auch über einige Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit der Stammesgründung auftraten, berichtet werden. Lassen wir Kaplan Bertram zu Wort kommen:

„… Ich habe als Kaplan in Göttingen im Jahre 1931 den dortigen Stamm als Ersten der Diözese (Hildesheim) ins Leben gerufen. Die Schwierigkeiten waren sehr groß. Einerseits in der Gemeinde, in der manche die Jungen unter der Bezeichnung ‚Cowboy-Heinis‘ ablehnten, andererseits aber am meisten mit dem Bischöflichen Jugendamt, dessen Chef, der damalige Kaplan Engelhardt, durchaus keine Pfadfinder in seinem Bereich haben wollte. Nur die Sturmschar sollte sein. Ich habe mich nicht darum gekümmert. Die Gründung wurde vorgenommen.
Von Hildesheim bekam ich böse Briefe, als ich mich beim damaligen Bischof Bares beschwerte, bekam ich keine Antwort. Ich war also auf mich allein gestellt.

Die Treue und Begeisterung der Jungen halfen mir. Der Stamm stand.“

(Auszug aus einem Brief von Bertram am 22. September 1950 – Nienburg)

Sein Mut und seine Ausdauer für den Aufbau des Stammes in St. Michael war bemerkenswert und hat ihm aus heutiger Sicht recht gegeben. Weitere Stämme in der Umgebung wurden maßgeblich bei der Gründung von ihm und dem Stamm Göttingen unterstützt.
Berichte dazu in den jeweiligen Jahreschroniken.

Mit seiner Vorbildfunktion hatte er die Führer des Stammes entscheidend geprägt. Das sollte sich sehr bald unter den Herausforderungen des 3. Reiches beweisen.

Nach dem Zusammenbruch und dem Wiederbeginn im Jahre 1945 war der Pfadfindergedanke in Göttingen noch sehr präsent.
Auch zu diesem Zeitpunkt musste der Wiederaufbau der DPSG in Göttingen und in der Diözese Hildesheim gegenüber der Amtskirche unter besonderer Belastung durchgeführt werden. Die Göttinger Führer haben erneut eindeutig Position bezogen und damit Erfolge erzielt.
Dazu ausführliche Informationen in der Jahreschronik 1945.



„Schritt für Schritt in diesem Jahr“

Im Spätsommer hatte der Stamm Göttingen hohen Besuch. Der Reichsfeldmeister Willi Werner weilte auf seiner Reise durchs Reich, um die Stämme zu besuchen, auch in Göttingen.
Quelle: St. Georgspfadfinder, Januar 1932

Der Stamm Göttingen ist „reichsunmittelbar“ da noch keine Landespfadfinderschaft Hildesheim bestand, also direkt der Reichsleitung unterstellt.

Christuszeichen Einige Monate später, als Kluft und Banner und andere Ausrüstungsgegenstände beschafft sind, treten die Georgspfadfinder zum ersten Mal anlässlich eines Gemeinschaftsgottesdienstes an die Öffentlichkeit.

Christuszeichen (Bild rechts), alle Pfadfinder tragen es in Form der Anstecknadel auf dem blauen Halstuch. Die Wölflinge trugen das silberne Jungscharkreuz.


In dieser Zeit der wirtschaftlichen Probleme in Deutschland war es für alle sicherlich nicht ganz einfach die entsprechenden finanziellen Mittel für die Pfadfinderkleidung aufzutreiben (siehe Preisliste links). Bezahlt wurde in der Währung Reichsmark.


Im Oktober gab es die erste Jungpfadfindersippe und die erste Pfadfindersippe. Gewählt hatten sie sich die Sippennamen „Wolf“ und „Gemsen“.

Ein eigenes Heim war der nächste größere Abschnitt in der Arbeit des Stammes. Es wurde geschaffen in der Kurzen Straße und von diesem Tag ging es stetig aufwärts. Immer mehr Eltern erkannten den Erziehungswert der DPSG und ließen ihre Jungen mitmachen.



Lager und Fahrten
Die erste Wochenendfahrt unternahmen die neuen Pfadfinder nach Hann. Münden.
Kurz darauf folgte ein erstes Pfingstlager. Dieses fand in/bei Bodensee (Eichsfeld) statt.
Sommerfahrt an der Weser:

„Eine Woche ging ich selber mit den Jungen auf Fahrt. Es ging die Weser herunter. Da keiner kochen konnte, musste ich das in den Jugendherbergen selbst besorgen, und die Kerls haben gefuttert, was das Zeug hielt.
Auch Nachtfahrten und z. B. Blinkübungen standen auf dem Programm“.

Quelle: Brief Bertram


Jugendtag in Hildesheim
Kaplan Bertram und die Göttinger Pfadfinder nahmen im Herbst an dem Jugendtag der Diözese Hildesheim teil. Man erregte Aufmerksamkeit und neue Kontakte und Anfragen – z. B. aus Schladen – für Stammesgründungen erfolgten.

Das Jahr der Stammesgründung im Spiegel der Zeitgeschichte