Sommerlager des Jungtrupps bei Reinhausen
Der Höhepunkt des Jahres war das lang ersehnte Sommerlager, welches 31 Jungpfadfinder der Sippen Adler, Löwe, Fuchs und Wolf – vom 14. bis 24. Juli 1962 – durchführten.
Nicht minder freute sich darauf die Truppleitung, bestehend aus dem Stammeskurat Pater Linden SJ, Truppfeldmeister Ulrich Krause und Helfer Manfred Schmets.
In den Wochen vor dem Sommerlager hatten sich die Sippen des Trupps intensiv auf das große kommende Ereignis vorbereitet. So wurde beispielweise auf dem Freigelände des
Jugendheims an der Bürgerstraße
Jugendheims an der Bürgerstraße sippenweise der Aufbau von Zelten geübt.
Diese und weitere praktischen Übungen waren erforderlich, da der Jungtrupp erst kürzlich durch viele ehemalige Wölflinge gewachsen war.
Manfred erinnert sich:
Die letzten Wochen vor dem Lager vergingen wie im Fluge und meine Spannung wuchs beständig. Was ich wohl in meinem ersten Sommerlager bei den Jungpfadfindern erleben würde, ging mir immer häufiger durch den Kopf. Am Abfahrtstag zu Hause noch mal schnell alles überprüfen. War die persönliche Ausrüstung vollständig? Dann alles für die Fahrt fest auf dem Fahrrad verschnüren und ab ging es zum Treffpunkt, dem Kirchhof von St. Michael.
Nachdem die Vollzähligkeit aller teilnehmenden Jungpfadfinder festgestellt worden war, ging es in einer langen Fahrrad-Kolone auf zum Lagerplatz.
Bis nach Reinhausen war es keine so große Entfernung und bald erreichte der Trupp den Lagerplatz. Das Zuhause für die nächsten 10 Tage befand sich in einem gleich hinter dem Dorf gelegenen Steinbruch.
Diejenigen Neulinge, welche den Lagerplatz bisher nur vom Hörensagen kannten, waren mächtig erstaunt von dem
tollen, vielversprechenden
Gelände.
Die Fahrräder wurden abgeladen und anschließend in einer niedrigen Festspalte regensicher abgestellt und zusammengeschlossen.
Zelte und weiteres Lagermaterial befanden sich bereits vor Ort. Das Führerzelt stand schon fertig aufgebaut an seinem Platz. Alle Jungen begaben sich daraufhin mit dem Truppleiter zu einer ersten Ortsbesichtigung.
Im nächsten Schritt erfolgte die Verteilung der jeweiligen Sippenplätze, welche getrennt voneinander im an den Steinbruch angrenzenden Wald versteckt lagen.
Jede Sippe baute als Erstes ihre Kothe sowie ein kleines Gepäck-Zelt für die persönlichen Ausrüstungsgegenstände auf. Um möglichst angenehm in den Kothen schlafen zu können, hatte die Truppleitung mehrere Strohballen besorgt,
die nun darin als Einstreu verteilt wurden. Soweit vorbereitet, konnten endlich die persönlichen Ausrüstungen verstaut werden.
Im Anschluss an das erste gemeinsame Abendessen bekam jede Sippe Zeit, auf eigene Faust die nahe Umgebung des Lagerplatzes genauer zu erkunden.
Die gesamte Lagerzeit fand ein Sippenwettkampf statt. Die tagesbeste Sippe bekam dann das Totem bei der Morgenrunde überreicht. Mindestens einen Tag lang zierte dieses den jeweiligen Sippenplatz.
Wie jeden Morgen, so wie auch an diesem Tag, war der gesamte Trupp zur Morgenrunde angetreten. Sie neigte sich langsam ihrem Ende entgegen, als unvermittelt die Kornetts in die Mitte traten und einer von ihnen sprach:
„Hört mal kurz her, wir haben euch etwas Wichtiges zu verkünden.
Nach reiflicher Überlegung sind wir Kornetts zu der Auffassung gelangt,
dass unsere Truppführung mit der Leitung des Lagers völlig überfordert ist.
Das bisherige Lagerprogramm ist eintönig und äußerst langweilig,
Freizeit haben wir auch kaum, die Laune der Jungen ist sehr schlecht,
genauso wie die Verpflegung. Das machen wir nicht länger mit und
setzen ab sofort die Truppführung ab und übernehmen selbst die
Lagerleitung, es kann ja nur besser werden“.
Rums, das saß!
Manfred erinnert sich an den weiteren Ablauf:
Zaghafte Erklärungsversuche der Truppführer wurden von den Kornetts barsch unterbrochen und die Truppführer verkrümelten sich mit gesenktem Haupt.
Wir alle sollten jetzt erst einmal zu unseren Sippenplätzen gehen, um dort auf weitere Anweisungen zu warten. Dort angekommen, ging ein ordentliches Palaver los. Jeder wusste etwas zu der Situation beizutragen.
Allerdings machte sich bald eine betroffene Ratlosigkeit breit.
Auf einmal ertönte das bekannte Pfeifsignal „Trupp sammeln“ und alle rannten unter das große Felsendach, gespannt darauf, ob es Neuigkeiten gibt.
Ziemlich aufgewühlt informierten uns die Kornetts darüber, dass die Leiter mit der gesamten Lagerkasse abgehauen waren.
Das sollten wir uns auf keinen Fall bieten lassen. Also wurden Pläne geschmiedet, wie wir wieder an unser dringend benötigtes Geld kommen.
Als wichtigste Maßnahme stand die Suche nach den verschwundenen Führern an. Mehrere Suchtrupps, jeweils unter Leitung eines Kornetts, wurden zusammengestellt.
Einer der Jungen wollte gesehen haben, wie die Führer in Richtung Waldschlösschen gelaufen seinen. Die Richtung war klar, auf ging die Jagd.
Es dauerte nun schon ziemlich lange und wir irrten zwischen den Felsen im Bremkertal auf der Suche den verschwundenen Leitern umher.
Dann ertönte ein Ruf: „Da vorne, das ist Uli – auf ihn!“ Na ja, so einfach wie gesagt, stellte sich das Unterfangen nicht heraus. Immer wieder entwischte er uns.
Nachdem mehrere Gruppen ihn eingekreist hatten, bekamen wir ihn dann doch zu fassen. Wie die Kletten hingen wir an ihm, warfen ihn zu Boden und konnten ihn endlich mit einigen Stricken fesseln.
Dabei hatten wir allerdings nicht mit der unbändigen Kraft von Uli gerechnet, er konnte sich befreien und war erneut auf der Flucht.
Aber diesmal verloren wir seine Spur nicht. Endlich hatten wir ihn dingfest gemacht. Wo denn die Lagerkasse sei, wollten wir wissen, aber er stellte sich taub.
Wie sollten wir unseren Truppleiter die einigen Kilometer bis zum Lager transportieren, war die große Frage.
Auf einmal kamen zwei Jungen mit einem Handwagen zur Hilfe. Das könnte klappen, dachten wir und luden Uli darauf und verschnürten ihn wie ein Paket auf dem Handwagen, damit er uns nicht wieder ausbüchsen konnte.
Zur Sicherheit hatten wir ihm mit einem Halstuch die Augen verbunden.
Immer abwechselnd zogen wir unsere Beute auf dem Handwagen bis in das Lager.
Die ganze Hatz hatte mehrere Stunden gedauert und wir vergaßen darüber sogar unser Mittagessen, welches wir nun im Lager angekommen, aus geschmierten Marmeladenbroten zubereiteten.
Beim gemeinsamen Essen wurden die persönlichen Heldentaten ausführlich besprochen und gewürdigt. Aber wie sollte es jetzt weitergehen?
Die Truppmitglieder wurden zu ihren Sippenplätzen geschickt und sollten dort auf das Ergebnis der Untersuchungen durch die Kornetts abwarten.
Nach quälend langer Zeit kamen wir alle wieder am Versammlungsplatz zusammen. Dort erwarteten uns die Kornetts. Auch Uli und die anderen Führer, welche mittlerweile freiwillig ins Lager zurückgekehrt waren, saßen einträchtig beieinander.
Uli war nicht mehr gefesselt und lachte verschmitzt. Was hatte das zu bedeuten?
Gemeinsam berichteten sie, dass die Differenzen ausgeräumt worden seien, die Lagerkasse auch nicht verschwunden ist. Die Kornetts wollten es nun nochmals mit der Truppführung versuchen.
So schlecht fanden wir das bisherige Programm eigentlich auch nicht und alle waren einigermaßen erleichtert ob der gütlichen Wende.
Bis zum abendlichen Lagerfeuer hatten wir Freizeit. So mancher von uns konnte erst mal seine im Kampf erlittenen Blessuren pflegen und die Klamotten wieder notdürftig flicken.
Das Feuer prasselte, die Erzählungen drehten sich dabei ausnahmslos um die vollbrachten Heldentaten. Zum guten Schluss erfuhren wir mit offenen Mündern staunend, dass die ganze „Lagerrevolution“
vorab zwischen den Truppführern und den Kornetts abgesprochen worden waren. Na, da haben die uns doch erfolgreich, aber mal richtig hinters Licht geführt. Es sollte alles zu einem großen Spiel werden, was auch toll geklappt hatte.
Einerseits war ich ob dieser Erkenntnis ein wenig enttäuscht, aber gleichwohl doch zufrieden. Der Tag hatte in Nachhinein richtig Spaß gemacht und uns alle bis an die Grenzen herausgefordert.
Etwa zur Halbzeit des Lagers bekamen überraschend alle Jungen ein oder zwei Lagerpostkarten geschenkt. Das Besondere daran war, dass diese Karten extra mit Motiven passend zu unserem Sommerlager angefertigt worden waren (Linoldrucke).
Wer wollte, hatte nun die Möglichkeit, einige Zeilen an die Eltern schreiben. Am nächsten Tag konnten die Karten bei der Truppleitung abgegeben werden und wurden gesammelt in einem Briefkasten in Reinhausen eingeworfen.
Manfred erinnert sich an den letzten Tag:
Wenige Tage später neigte sich das Sommerlager dem Ende zu. Zelte ausräumen und unsere persönlichen Utensilien zu verpacken, stand als Erstes an.
Im Anschluss wurden alle Zelte abgebaut und sauber verpackt, das Stroh aus den Kothen verbrannten wir. Als der gesamte Lagerplatz wieder tadellos in Ordnung war, sangen wir ein letztes Mal gemeinsam
das Lied „Nehmt Abschied, Brüder …“. Danach radelten mit vielen Gedanken und Erinnerungen aus den vergangenen Tagen im Gepäck in Richtung Heimat, wo wir von unseren Eltern bereits erwartet wurden.
Schön war es, mein erstes Jungpfadfindersommerlager!
Natürlich ahnte ich damals noch nicht, dass ich in den folgenden Jahren bei vielen Fahrten an diesen schönen Ort zurückkehren würde.