Pfingstfahrt Pfadfindertrupp Grone vom 22. bis 27. Mai



Karte Zielgebiete Karte Zielgebiete

Zielsetzung der Fahrt

Das „Große Unternehmen 72“ für den Göttinger Pfadfindertrupp, auf den Spuren der Wikinger von Hann. Münden am Beginn der Weser bis zur Mündung der Schlei in die Ostsee, nur auf Wasserwegen mit zwei Mannschaftskanadiern, würde uns nur dann gelingen, wenn alle Gefahren und Schwierigkeiten wenigstens ungefähr in den Umrissen bekannt sein würden.
Das wusste die Truppleitung sehr genau. Die Verantwortung für Leib und Leben der Jungen vor den Eltern und dem Gesetz erforderte, sich persönlich von den Schwierigkeiten zu überzeugen, die ein Mannschaftskanadier und seine Besatzung auf den Schifffahrtsstraßen der Unterweser, dem Hadelner Kanal und der Unterelbe bewältigen muss.

So wurde während der Pfingstferien eine mehrtägige Fahrt durchgeführt, um an den am meisten problematischen Fahrstrecken Erfahrungen zu sammeln. Als Standquartier wurde die geografische Mitte zwischen der Unterweser und Elbe, der Flögelner See ausgewählt. Dort, von einem privaten Seegrundstück aus, bestand die Möglichkeit auf dem Wasserwege sowohl Weser und Elbe erreichen zu können, ohne den Kanadier zerlegen zu müssen.



Von Grone aus startete die Fahrt

Treffpunkt der Fahrt war in der Garbenstraße bei der damaligen Wohnung des Kuraten. Dort auf dem Hinterhof lagerte auch der Kanadier. Aufgrund seiner stolzen Länge von 6,2 m wurde der Kanadier für den Transport in zwei Teilen auf einem Anhänger verladen.

Vor der Abfahrt in Grone. Vor der Abfahrt in Grone. Bildmitte: Rainer Bolli Bildmitte: Rainer Bolli Vor der Abfahrt in Grone. Vor der Abfahrt in Grone.


Am Nachmittag des zweiten Pfingstages erreichten 15 Pfadfinder mit 3 Autos, einem Anhänger, einem Kanadier und vier Mannschaftszelten das herrlich gelegene Seegrundstück.
Die Frau der Eigentümerfamilie machte zunächst ein sehr bedenkliches Gesicht und der Untergang des gepflegten Rasens schien ihr gewiss.
Schließlich schickte sie sich aber recht tapfer ins Unvermeidliche, da wir durch eine zähe Verhandlungstaktik die Unschuld der Pfadfinder in Hinsicht Umweltverschmutzung (… der Pfadfinder schützt …) darstellen konnten.

Die nun folgenden Tage waren für die Truppleitung und Jungen ein einmaliges Erlebnis.

Das Wetter ließ keinen Wunsch unerfüllt, denn wir hatten sowohl Sonne wie Regen und auch Sturm mit Windstärken 6-7, um Boot und Mannschaft auf Leistungsfähigkeit zu testen.
Das Grundstück am See mit Bootssteg bot dem Trupp die notwendige Intimität, die Campingplätze nicht haben.
Peter Adams, N. N., hinten Jürgen Tuczynski
Lagerplatz Abladen der Bootshälften. Truppbesprechung mit Truppleiter Karl Heinz Ringel
Heinrich Hermann Grohe Kurat Pastor Elskamp bei der Tourenplanung. v. l. Rainer Bolli, Günther Bertram


Der See hat am Südende gut zu finden, einen Abfluss in die Aue und den Bederkesa-Geeste-Kanal, und am nordwestlichen Zipfel einen Zufluss vom Halemer See bzw. vom Dahlemer See. Diese drei Seen mit ihrem stillen und fast unberührten Zauber ließen in den wenigen Tagen eine Ahnung in uns wach werden, dass die natürliche Schönheit der norddeutschen Tiefebene es immer noch wert ist, gesucht zu werden.
Gleich am ersten Abend, die letzten Sonnenstrahlen ausnützend, fuhr der Truppführer mit einer Mannschaft und suchte den Weg zum Halemer See.
Als er in der Dunkelheit spät mit dem Boot zurückkam, erzählten alle voller Staunen von der wundervollen Durchfahrt zwischen den Seen, von den unzähligen Enten und Haubentauchern, von den Vogelscharen im Schilf, den Säbelschnäblern und anderem seltenen Getier. Die dschungelartige Durchfahrt zwischen den Seen, die hohen Schilfwände zu beiden Seiten, das lautlose und stumme Gleiten mit dem leichten Kanu um immer neu sich zeigende Windungen weckte in allen von uns in diesen Tagen die Sehnsucht nach unberührtem Land und Wasser. Die Seen, die eingefasst sind von großen Mooren, stehen mit dem umliegenden Land unter Naturschutz. Wirklich einsame Heide bricht hier pfadlos ab in trockener, steiler Torfkante zum See. Nirgendwo sonst an deutschen Flüssen haben wir so viele Eisvögel, Brachvögel und ähnliches Getier gesehen wie hier.

Freiwillige Kenterübung Freiwillige Kenterübung


Und er schwamm doch …
Ob es wohl zu schaffen sein würde, den Kanadier zum Kentern zu bringen? Die erfahrensten Jungen wagten zusammen mit ihrem Kuraten das Experiment. Natürlich nahe am Ufer des Sees, wurde in gegenseitiger Absprache der Bootsmannschaft recht mühevoll durch Schaukelbewegungen das Boot tatsächlich so zur Neige gebracht, dass alle Insassen aussteigen mussten und der Kahn anschließend voll Wasser lief. Aufgrund seiner Luftkammern ging er jedoch nicht unter.



Bootsbesatzung Bootsbesatzung

Zwei Tages-Testfahrten

1. Fahrt: Von der Weser bis zum Lagerplatz
Der Höhepunkt der Pfingstfahrt führte uns aber aus der Einsamkeit unseres Zeltdaseins in den Verkehrstrubel der internationalen Wasserstraße Unterweser.
Frühmorgens hatten wir den Kanadier geteilt und auf dem Anhänger gut verstaut, die gut ausgewählte Mannschaft für den ersten Test saß im VW-Bus, während die Truppleitung oberhalb von Bremerhaven ein geeignetes Plätzchen für den Start in die Ungewissheit suchte und auch schließlich fand.

Als wir dann am Abend nach acht sehr langen Stunden den Kanadier am Bootssteg aus dem Wasser hoben, hatten wir hinter uns: Begegnung mit großen Seeschiffen nur einen Kilometer von der Columbus-Kaje entfernt, den Hafen mit seinen riesengroßen Spundwänden und der trüben Hafenkloake in Bremerhaven, Pullen gegen ablaufendes Wasser in der Geeste vor dem Tidesperrwerk, endlose Kanalfahrt und hautnahe Begegnungen mit Binnenschiffen in voller Fahrt auf dem stehenden Wasser des Elbe-Schifffahrts-Weges – wir hatten im wahrsten Sinne des Wortes die Hitze und Last des Tages getragen.

Verlauf der zwei Testfahrten. Verlauf der zwei Testfahrten.



Aber jetzt wussten wir: Das ist auch mit dem ganzen Trupp im Sommer zu schaffen!



2. Fahrt: Ab Otterndorf bis zum Flögelner See
Am folgenden Tag startete eine andere Mannschaft von Otterndorf an der Unterelbe zur zweiten Testfahrt.
Bei der Wasserung des Kanadiers am „Hadelner Baum“, wenige hundert Meter hinter dem Elb-Deich, trafen wir einen Herrn mittleren Alters, der sich sehr für Boot und Besatzung interessierte. Er stellte sich dann schließlich vor als Trainer des Otterndorfer Ruderclubs. Nach mancher Fachsimpelei bot er dem Pfadfindertrupp für das Sommerunternehmen das Club-Gelände an der Otterndorfer Schleuse als Zeltmöglichkeit an. Ihm sei hier für seine Freundlichkeit und die anderen guten Ratschläge, die wir befolgten, recht herzlich gedankt.


Am Abend, als die Mannschaft ziemlich abgekämpft, aber sehr aufrecht über den Flögelner See zum Landungssteg pullte, war es gewiss: Die Schwierigkeiten sind zu bewältigen, wenn wir noch mehr Steuerleute haben!



Sturmfahrt

Sturmfahrt Sturmfahrt

Der See war buchstäblich leer gefegt. Nur rings um den See sah man die Ferngläser auf den Kanadier der Pfadfinder gerichtet, die es gewagt hatten, gegen den Sturm zu fahren. Das hatte es hier noch nicht gegeben!

Während fast meterhohe Wellen gegen das Ufer polterten und ganze Stücke Torfbodens mit Schilf losrissen, während der Sturm mit Windstärken zwischen 7 und 8 die Gischt von den Kämmen der Wellen durch die Luft blies, fuhr die rote „Sir Rob“ sicher über den See. Kein Segel zeigte sich, und einer, der es doch gewagt hatte, war noch am Steg gekentert. Der Truppführer als Schlagmann, der Kurat als Steuermann und dazwischen die drei Assistenten mit den beiden sichersten Truppmitgliedern brauchten beinahe eine halbe Stunde, um mit voller Kraft pullend quer über den See die Einfahrtsboje von Flögeln zu runden.
Auf dem Gegenkurs hielten alle das Paddel hoch in den Wind: innerhalb von zehn Minuten waren wir am Landungssteg beim Zeltlager wieder angekommen. Aber wir legten noch nicht an, nein, noch einmal das Ganze hin und zurück zum entsetzten Kopfschütteln der Zuschauer. Wir aber fühlten uns im Boot durch Spritzdecke und Schürzen gegen überkommendes Wasser geschützt, pudelwohl. Nur wenig Wasser war im Kanadier, als wir nach drei Stunden das Vergnügen abbrachen. Wer hätte das zu denken gewagt: Das beste Testergebnis hatte unser Boot gebracht! Es war nicht nur praktisch und schön, es war auch wirklich „seefest“!


Die Texte, geschrieben vom Kuraten Pastor Elskamp, wurden größten Teils in der Originalfassung für diesen Bericht verwendet. Das Archivteam fügte diverse Fotos und sinngemäße Ergänzungen hinzu.