DPSG im Nationalsozialismus


Einleitung

Mit einer kleinen Sammlung von ausgewählten Dokumenten aus dieser Zeit wollen wir unsere Berichte in den Jahreschroniken um zeitgeschichtliche Informationen ergänzen. Entsprechend haben wir an den relevanten Passagen in den Jahrgangschroniken auch eine interne Verknüpfung hergestellt.

Die noch junge DPSG im Bund und auch der Stamm Göttingen entwickelten sich seit ihrer Gründung prächtig. Die weiteren Stammesgründungen in der Umgebung zeugen von dieser Aufbruchstimmung.
Doch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten sollten die Pfadfinder sehr bald Einschränkungen durch Anordnungen und neue Gesetze erfahren.

Sie alle hatten mittelbaren und unmittelbaren Einfluss auf die Arbeit in den Gruppen des Stammes Göttingen.

Die Katholische Jugend – und damit auch die DPSG – hatte nach dem Abschluss des
Reichskonkordates die Hoffnung, dass ihr Bestand durch den Vertrag gesichert sei.

Leider erwies sich dies sehr bald als eine trügerische Hoffnung.



Was hatte das Konkordat mit der DPSG zu tun?

Das Konkordat rettete die DPSG über fünf Jahre Naziherrschaft bis 1938

Die Hitlerjugend war 1926 gegründet worden und hatte von Anfang an ihren totalitären Alleinvertretungsanspruch in der deutschen Jugend propagiert.
Als erste Amtshandlung des neuen „Jugendführers des Deutschen Reiches“ kam am 17. Juni 1933 das Verbot des Großdeutschen Bundes und damit die Auflösung der freien (nichtkirchlichen) Pfadfinderbünde.
Die CP (evangelische Pfadfinder) konnte zunächst das allgemeine Verbot überdauern durch die Verbindungen zur evangelischen Kirche, musste aber ab März 1934 ihre Jugendlichen unter 18 Jahren entlassen, bzw. in die Hitlerjugend überführen, wie es ein Staatsvertrag zwischen Kirche und HJ vorsah. Die Älteren durften keine Tracht mehr tragen und wurden 1937 verboten.

Das „Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich“ wurde am 8. Juli 1933 paraphiert (20. Juli im Vatikan unterzeichnet, 19. September ratifiziert, 12. September verkündet). Dieses Reichskonkordat sollte die verschiedenen Länderkonkordate in eine ganz unsichere Zukunft retten, zugleich sollte die nationalsozialistische Bewegung an formales Recht gebunden und gemäßigt werden.

Für die katholischen Jugendorganisationen war der Artikel 31 Absatz 1 und 2 wichtig:

Abs. 1: Diejenigen katholischen Organisationen und Verbände, die ausschließlich religiösen, rein kulturellen und karitativen Zwecken dienen und als solche der kirchlichen Behörde unterstellt sind, werden in ihren Einrichtungen und in ihrer Tätigkeit geschützt.
Abs. 2: Diejenigen katholischen Organisationen, die außer religiösen, kulturellen oder karitativen Zwecken auch anderen, darunter auch sozialen oder berufsständischen Aufgaben dienen, sollen, unbeschadet einer etwaigen Einordnung in staatliche Verbände, den Schutz des Artikels 31 Absatz 1 genießen, sofern sie Gewähr dafür bieten, ihre Tätigkeit außerhalb jeder politischen Partei zu entfalten.
Abs. 3: Die Feststellung der Organisationen und Verbände, die unter die Bestimmungen dieses Artikels fallen, bleibt vereinbarlicher Abmachung zwischen der Reichsregierung und dem deutschen Episkopat vorbehalten.

Über diese Vereinbarung des Artikels 31 gab es ein jahrelanges Tauziehen. Die Verhandlungen führte als Leiter auf kirchlicher Seite der Bischof von Osnabrück, Wilhelm Berning.
Es kam im Juni 1934 zu einem Zwischenergebnis, zu „Auslegungsgrundsätzen“, die aber noch von beiden Seiten höherer Stelle vorgelegt werden sollten:

„… Die katholischen Organisationen, die in Abs.2 aufgeführt sind, können, müssen aber nicht in staatliche Verbände (Dachorganisationen) eingeordnet werden.
Die Einordnung darf nicht ihr vereins- und verbandsmäßiges Eigentum und Eigenleben, das heißt den katholischen Charakter und die Selbständigkeit in der Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben einschließlich der Führung der bisherigen Vereinstracht, der Abzeichen und Banner bei öffentlichen Auftritten ausschließen …“

Die Verhandlungen über die Liste der zu schützenden Organisationen, u. a. des Katholischen Jungmännerverbandes, dessen Gliedgemeinschaft die St. Georgs-Pfadfinderschaft war, zogen sich 1934 bis 1936 hin, wo die Reichsregierung keinen Termin mehr angab.




Einheitliche Jugendführung

Berlin, 22. Juni. Der Jugendführer des Deutschen Reiches, Balduar von Schirach, hat zur Neuorganisation der Jugendverbände Anordnungen erlassen. Er hat den Deutschen Jugendführerrat berufen, der ihm beratend zur Seite steht. In den Jugendführerrat wird aufgenommen je ein Vertreter der evangelischen Jugend, der katholischen Jugend, der Wehrverbandsjugend, der bündischen Jugend, der Sportjugend, der berufsständischen Jugend. An den Beratungen des erweiterten Deutschen Jugendrates nehmen Vertreter der interessierten Ministerien teil. Für die Länder sowie für die preußischen Provinzen werden Beauftragte ernannt.
Der Jugendführer hat weiter entschieden:

Der Großdeutsche Bund mit seinen Unter- und Teilorganisationen ist mit Wirkung vom 17. Juni aufgelöst. Mit dem Großdeutschen Bund sind aufgelöst:
Freischar Junger Nation,
Deutsche Freischar,
Deutscher Pfadfinderbund,
die Geusen,
Ring deutscher Pfadfindergaue,
Freischar evangelischer Pfadfinder.
Der Rechtsausschuss der deutschen Jugendverbände wird mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Die bisherigen Aufgaben des Reichsausschusses werden in die erweiterten Aufgaben der Jugendführung des Deutschen Reiches übernommen.

Sämtliche Jugendorganisationen Deutschlands sind dem Jugendführer des Deutschen Reiches zu melden. Die Organisationen, die diese Meldung bis zum 15. Nächsten Monats nicht oder nur unvollständig vollzogen haben, gelten als aufgelöst.

In einer Anordnung des Jugendführerrates des Deutschen Reiches wird festgestellt, dass das Tragen von Schulterriemen den Angehörigen der deutschen Jugendorganisationen mit Ausnahme der Hitlerjugend verboten ist.

Abschrift: Göttinger Tageblatt, Freitag, 23. Juni 1933




Doppelmitgliedschaft verboten

Es war für viele DPSG-Mitglieder aus beruflichen Gründen eine Notwendigkeit, Mitglied bei NS-Organisationen zu werden. Der Jungmännerverband hatte alle entgegenstehenden Hindernisse aus dem Wege geräumt, indem er diese doppelte Mitgliedschaft freigab.

Nun kam vor einigen Wochen von nationalsozialistischer Seite ein Erlass, der eine doppelte Mitgliedschaft ausschließen soll.

Von Schirach bestimmte:

„Ich verbiete mit sofortiger Wirkung die gleichzeitige Mitgliedschaft der nationalsozialistischen Jugendorganisationen in konfessionellen Verbänden.“ Durch diesen Erlass kamen vor allen Dingen diejenigen DPSG-Mitglieder in schwersten Konflikt, die beruflich nationalsozialistischen Organisationen angehören müssen.

Quelle: „Die Wacht“ 9/1933




NS Bekanntmachungen

Mitgliedersperre für die Hitlerjugend

Der Reichsjugendführer gibt bekannt:
Bis auf weiteres verfüge ich:
1. Der Eintritt in die Hitlerjugend, das Deutsche Jungvolk, den Bund Deutscher Mädchen
    ist g e s p e r r t.
2. Ausgenommen von dieser Verfügung sind lediglich die von den katholischen
     Jugendorganisationen laufend übertretenden Jugendlichen, sowie die zu uns
     übertretenden Mitglieder der Turn- und Sportorganisationen.

gez. Baldur von Schirach

Abschrift: Göttinger Tageblatt, 23/24. Juni 1934


Kommentar zu vorstehendem Artikel unter 2.
„… die von den katholischen Jugendorganisationen laufend übertretenden Jugendlichen.“

Hierbei kann es sich nicht um größere Zahlen gehandelt haben. Möglicherweise spielten bei dieser Veröffentlichung die Propaganda sowie ein starkes Wunschdenken eine Rolle.
Einige statistische Zahlen für die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg sollen die Entwicklung der Stämme und die Mitgliederzahlen im Reich veranschaulichen:

  1933 310 Stämme ca. 9.000 Pfadfinder
  1934 459 Stämme ca. 13.000 Pfadfinder
  1935 467 Stämme ca. 16.000 Pfadfinder

Eine stetige Aufwärtsentwicklung hat die DPSG zu verzeichnen, trotz immer stärker zunehmenden
 – zunächst regionaler – Anordnungen, Einschränkungen und Verbote.



Verbot der öffentlichen Betätigung der konfessionellen Jugend

Regierungsbezirk Hildesheim:
Keine öffentliche Betätigung
der konfessionellen Jugend- und
Standesvereinigungen mehr.

Wie wir erfahren, hat Regierungspräsident Dr. Muhs, um in der Jugendbewegung klare Verhältnisse zu schaffen und die Stellung der HJ als Staatsjugend zu unterstreichen, auf Grund des § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933, sowie auf Grund des Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1. Juni für den Regierungsbezirk Hildesheim folgende Staatspolizeiliche Anordnung getroffen:
Anordnung
§ 1.
(I) Den konfessionellen Jugend- und Standesvereinigungen, auch solchen, die für den Einzelfall gebildet sind, jede öffentliche Betätigung außerhalb des kirchlichen und religiösen Bereichs untersagt.
(II) Verboten ist insbesondere: jedes geschlossene Auftreten in der Öffentlichkeit, jede Art von politischer Betätigung, jede öffentliche Sportausübung einschließlich des gemeinsamen Wanderns und der Errichtung von Ferien- und Feldlagern, das öffentliche Führen oder Zeigen von Fahnen, Bannern und Wimpeln (z. B. P.X., D.J.K.)
(III) Zulässig ist die geschlossene Teilnahme konfessioneller Jugend- und Standesvereinigungen ohne einheitliche Kleidung und Abzeichen an kirchlichen Veranstaltungen, insbesondere an den althergebrachten Prozessionen, Wallfahrten und kirchlichen Begräbnissen. Auch in diesen Fällen darf weder ein geschlossener An- und Abmarsch stattfinden.
§ 2.
Für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnung wird hiermit die Festsetzung eines Zwangsgeldes bis zu 150 RM., im Falle der Nichtbeitreibbarkeit die Festsetzung einer Zwangshaft bis zu drei Wochen angedroht.
Unberührt bleibt die strafrechtliche Verfolgung auf Grund des § 4 und die Anordnung der Schutzhaft auf Grund des § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933.
§ 3.
Bekleidungsstücke, Abzeichen, Fahnen, Banner und Wimpel, welche der Bestimmungen des § 1 zuwider getragen, gezeigt oder mitgeführt werden, unterliegen der Einziehung.

§ 4.
Diese Anordnung tritt mit dem Tage ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft.

Abschrift: Südhannoverschen Volkszeitung vom 10. Juli 1934



Auszuge aus dem:

Reichsarbeitsdienstgesetz

vom 26. Juni 1935

Die Reichsregierung hat das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

Abschnitt I
Der Reichsarbeitsdienst

§ 1

(1) Der Reichsarbeitsdienst ist Ehrendienst am Deutschen Volk
(2) Alle Jungen Deutschen beiderlei Geschlechts sind verpflichtet, ihrem Volk im Reichsarbeitsdienst zu dienen.
(3) Der Reichsarbeitsdienst soll die deutsche Jugend im Geiste des Nationalsozialismus zur Volksgemeinschaft und zur wahren Arbeitsauffassung, vor allem zur gebührenden Achtung der Handarbeit erziehen.
(4) Der Reichsarbeitsdienst ist zur Durchführung gemeinnütziger Arbeiten bestimmt.

§ 2

(1) Der Reichsarbeitsdienst untersteht dem Reichsminister des Innern. Unter ihm übt der Reichsarbeitsführer die Befehlsgewalt über den Reichsarbeitsdienst aus.
(2) Der Reichsarbeitsführer steht an der Spitze der Reichsleitung des Arbeitsdienstes, er bestimmt die Organisation, regelt den Arbeitseinsatz und leitet Ausbildung und Erziehung.

Abschnitt II
Die Arbeitsdienstpflicht der männlichen Jugend

§ 3

(1) Der Führer und Reichskanzler bestimmt die Zahl der alljährlich einzuberufenden Dienstpflichtigen und setzt die Dauer der Dienstzeit fest.
(2) Die Dienstpflicht beginnt frühestens nach vollendetem 18. und endet spätestens mit Vollendung des 25. Lebensjahres.
(3) Die Arbeitsdienstpflichtigen werden in der Regel in dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollenden, zum Reichsarbeitsdienst einberufen. Freiwilliger Eintritt in den Reichsarbeitsdienst zu einem früheren Zeitpunkt ist möglich.





Preußische Polizeiverordnung gegen die Konfessionellen Jugendverbände

Auf Grund des § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 in Verbindung mit dem Polizeiverwaltungsgesetz vom 1. Juli 1931 wird für Preußen folgende Verordnung erlassen:

§ 1

Allen konfessionellen Jugendverbänden, auch den für den Einzelfall gebildeten, ist jede Betätigung, die nicht rein kirchlich-religiöser Art ist, insbesondere eine solche politischer und volkssportlicher Art untersagt.

§ 2

Für die konfessionellen Jugendverbände und ihre männlichen und weiblichen Angehörigen, einschließlich der sogenannten Pfarrjugend, gelten folgende Bestimmungen:

1) Das Tragen von Uniformen (Bundestracht, Kluft usw.), uniformähnlicher Kleidung und Uniformstücken, die auf die Zugehörigkeit zu einem konfessionellen Jugendverband schließen lassen. Hierunter fällt auch das Tragen von Uniformen oder zur Uniform gehöriger Teilstücke unter Verdeckung durch Zivilkleidungsstücken (z. B. Mäntel), sowie jede sonstige einheitliche Kleidung, die als Ersatz für die bisherige Uniform anzusehen ist.
2) Das Tragen von Abzeichen, welche die Zugehörigkeit zu einem konfessionellen Jugendverband kenntlich machen (PX-, DJK-Abzeichen pp.).
3) Das geschlossene Aufmarschieren, Wandern und Zelten in der Öffentlichkeit, ferner die Unterhaltung eigener Musik- und Spielmannszüge.
4) Das öffentliche Mitführen oder Zeigen von Bannern, Fahnen und Wimpeln, ausgenommen bei Teilnahme an althergebrachten Prozessionen, Wallfahrten, Primiz- und anderen Kirchenfeiern, sowie Begräbnissen.
5) Jegliche Ausübung und Einleitung zu Sport und Wehrsport aller Art.

§ 3

Wer dieser Verordnung zuwiderhandelt oder wer zu einer solchen Zuwiderhandlung auffordert oder anreizt, wird gemäß §§ 33, 55, 56 des Polizeiverwaltungsgesetzes mit Zwangsgeld oder Zwangshaft bestraft. Unerlaubt getragene Uniformstücke oder Abzeichen, unerlaubt mitgeführte Banner, Fahnen oder Wimpel sind einzuziehen.

Berlin, den 23. Juli 1935




Gesetz über die Hitlerjugend

vom 1. Dezember 1936

Von der Jugend hängt die Zukunft des Deutschen Volkes ab. Die gesamte deutsche Jugend muss deshalb auf ihre künftigen Pflichten vorbereitet werden. Die Reichsregierung hat daher das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

§ 1

Die gesamte deutsche Jugend innerhalb des Reichsgebietes ist in der Hitlerjugend zusammengefasst.

§ 2

Die gesamte deutsche Jugend ist außer in Elternhaus und Schule in der Hitlerjugend körperlich, geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen.

§ 3

Die Aufgabe der Erziehung der gesamten deutschen Jugend in der Hitlerjugend wird dem Reichsjugendführer der NSDAP übertragen. Er ist damit „Jugendführer des Deutschen Reichs“. Er hat die Stellung einer obersten Reichsbehörde mit dem Sitz in Berlin und ist dem Führer und Reichskanzler unmittelbar unterstellt.

§ 4

Die zur Durchführung und Ergänzung dieses Gesetzes erforderlichen Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften erlässt der Führer und Reichskanzler.

Berlin, den 1. Dezember 1936



Schreiben der Gestapo, aus „60 Jahre BDKJ Bistum Hildesheim“





Verordnung: Jugenddienstpflicht, 1939
Erste Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Hitler-Jugend
(Allgemeine Bestimmungen)
vom 25. März 1939

Aufgrund des § 4 des Gesetzes über die Hitler-Jugend vom 1. Dezember 1936 bestimme ich:

§ 1

1) Der Jugendführer des Deutschen Reichs ist ausschließlich zuständig für alle Aufgaben der körperlichen, geistigen und sittlichen Erziehung der gesamten deutschen Jugend des Reichsgebiets außerhalb von Elternhaus und Schule. Die Zuständigkeiten des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung auf den Gebieten des Privatunterrichts und des sozialen Bildungswesens bleiben unberührt.
2) Der Jugendführer des Deutschen Reichs untersteht mit der Hitler-Jugend der Finanzhoheit der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei.

§ 2

1) In der Hitler-Jugend besteht die Stamm-Hitler-Jugend.
2) Wer seit dem 20. April 1938 der Hitlerjugend angehört, ist Angehöriger der Stamm-Hitler-Jugend.
3) Jugendliche, die sich mindestens ein Jahr in der Hitler-Jugend gut geführt haben und ihrer Abstammung nach die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei erfüllen, können in die Stamm-Hitler-Jugend aufgenommen werden. Die näheren Anordnungen erlässt der Reichsjugendführer des NSDAP mit Zustimmung des Stellvertreters des Führers.
4) Die Aufnahme in die Stamm-Hitler-Jugend kann bei Personen über 18 Jahre, die in der Führung oder der Verwaltung der Hitler-Jugend eingesetzt werden sollen, sofort erfolgen.
5) Gliederung der NSDAP ist nur die Stamm-Hitler-Jugend.
6) Die Zugehörigkeit zur Stamm-Hitler-Jugend ist freiwillig.

§ 3

1) Der Reichsminister des Inneren bestimmt im Einvernehmen mit dem Jugendführer des Deutschen Reichs, dem Stellvertreter des Führers und dem Reichsminister der Finanzen die dem Jugendführer des Deutschen Reichs nachgeordneten Dienststellen.

§ 4

1) Die Mitglieder der Hitler-Jugend sind berechtigt und – soweit es angeordnet ist – verpflichtet, die vorgeschriebene Uniform zu tragen.

Berlin, den 25. März 1939




Zweite Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Hitler-Jugend
(Jugenddienstverordnung) vom 25. März 1939

Aufgrund des § 1 des Gesetzes über die Hitler-Jugend vom 1. Dezember 1936 bestimme ich:

§ 1

Dauer der Dienstpflicht

(1) Der Dienst in der Hitler-Jugend ist Ehrendienst am Deutschen Volke.
(2) Alle Jugendlichen vom 10. bis zum 18. Lebensjahr sind verpflichtet, in der Hitler-Jugend Dienst zu tun, und zwar
1. die Jungen im Alter von 10–14 Jahren im „Deutschen Jungvolk“ (DJ)
2. die Jungen im Alter von 14–18 Jahren in der „Hitlerjugend“ (HJ)
3. die Mädchen im Alter von 10–14 Jahren im „Jungmädelbund“ (JM)
4. die Mädchen im Alter von 14–18 Jahren im „Bund Deutscher Mädel“ (BDM)
(3) Schüler und Schülerinnen der Grundschule, die das 10. Lebensjahr bereits vollendet haben, werden bis zum Verlassen der Grundschulklassen vom Dienst in der Hitler-Jugend zurückgestellt.
(4) Schüler und Schülerinnen der Volksschule, die das 14. Lebensjahr bereits vollendet haben, bleiben bis zur Schulentlassung Angehörige des Deutschen Jungvolkes oder des Jungmädelbundes.

§ 2

Erziehungsgewalt

Alle Jungen und Mädchen der Hitlerjugend unterstehen einer öffentlich-rechtlichen Erziehungsgewalt nach Maßgabe der Bestimmungen, die der Führer und Reichskanzler erlässt.

§ 3

Unwürdigkeit

(1) Der Zugehörigkeit zur Hitler-Jugend unwürdig und damit von der Gemeinschaft der Hitler-Jugend ausgeschlossen sind Jugendliche, die
1. ehrenrührige Handlungen begehen,
2. wegen ehrenrühriger Handlung vor Inkrafttreten dieser Verordnung aus der Hitler-Jugend ausgeschlossen worden sind,
3. durch ihr sittliches Verhalten in der Hitler-Jugend oder in der Allgemeinheit Anstoß erregen und dadurch die Hitler-Jugend schädigen.
(2) Von der Zugehörigkeit zur Hitler-Jugend sind ferner Jugendliche ausgeschlossen, solange sie verwahrt werden.
(3) Der Jugendführer des Deutschen Reichs kann Ausnahmen zulassen.

§ 4

Untauglichkeit

(1) Jugendliche, die nach dem Gutachten einer HJ-Gesundheitsstelle oder eines von der Hitler-Jugend beauftragten Arztes für den Dienst in der Hitler-Jugend untauglich oder bedingt tauglich befunden worden sind, müssen entsprechend dem ärztlichen Gutachten ganz oder teilweise von dem Dienst in der Hitler-Jugend befreit werden.
(2) Die Zusammenarbeit mit den Gesundheitsämtern und die Durchführung sonstiger gesundheitlicher Maßnahmen regelt der Jugendführer des Deutschen Reichs im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers und dem Reichsminister des Innern.

§ 5

Zurückstellung und Befreiung

(1) Auf Antrag des gesetzlichen Vertreters oder des zuständigen HJ-Führers können Jugendliche jeweils bis zur Dauer eines Jahres vom Dienst in der Hitler-Jugend befreit oder zurückgestellt werden, wenn sie:
1. in ihrer körperlichen Entwicklung erheblich zurückgeblieben sind oder
2. nach dem Urteil des Schulleiters ohne die Befreiung die Anforderungen der Schule nicht erfüllen können.
(2) In Einzelfällen kann auch dann einem Antrag auf Zurückstellung oder Befreiung vom Dienst in der Hitler-Jugend stattgegeben werden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht gegeben sind, aber andere dringende Gründe vorliegen, die das einstweilige oder dauerhafte Fernbleiben eines Jugendlichen vom Dienst in der Hitlerjugend rechtfertigen.
(3) Die weiteren Anordnungen erlässt der Jugendführer des Deutschen Reichs.

§ 7

Blutmäßige Anforderungen

Juden sind von der Zugehörigkeit zur Hitlerjugend ausgeschlossen.

§ 8

Deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz im Ausland

Jugendliche deutscher Staatsangehörigkeit, die ihren Wohnsitz im Ausland haben und sich nur vorübergehend im Reich aufhalten, sind zum Dienst in der Hitlerjugend nicht verpflichtet.

§ 9

Anmeldung und Aufnahme

(1) Alle Jugendlichen sind bis zum 15. März des Kalenderjahres, in dem sie das 10. Lebensjahr vollenden, bei dem zuständigen HJ-Führer zur Aufnahme in die Hitlerjugend anzumelden. Treten bei einem Jugendlichen die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Hitler-Jugend nach diesem Zeitpunkt ein (z. B. Entlassung aus der behördlichen Verwahrung, Erwerb der Reichsangehörigkeit, dauernde Niederlassung im Deutschen Reich), so ist der Jugendliche innerhalb eines Monats nach Eintritt der genannten Voraussetzungen anzumelden.
(2) Zu der Anmeldung ist der gesetzliche Vertreter des Jugendlichen verpflichtet.
(3) Die Aufnahme in die Hitler-Jugend erfolgt zum 20. April eines jeden Jahres.
(4) Der Jugendführer des Deutschen Reiches erlässt die näheren Anordnungen über die Anmeldung und Aufnahme in die Hitlerjugend.

§ 10

Entlassung

(1) Aus der Hitlerjugend werden entlassen:
1. Jugendliche nach Ablauf der im § 1 festgesetzten Zeiten und Mädchen, die in den Ehestand treten,
2. Jugendliche, bei denen festgestellt wird, dass sie nach den Bestimmungen dieser Verordnung von der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Hitler-Jugend ausgeschlossen sind,
3. Jugendliche, gegen die nach der Disziplinarordnung der Hitler-Jugend auf Ausscheiden erkannt wird.
(2) Auf Ziffer 2 und 3 findet § 3 Abs. 3 entsprechend Anwendung.
(3) Führer und Führerinnen bleiben nach Ablauf der im § 1 festgesetzten Zeit Angehörige der Hitler-Jugend. Ihre Entlassung erfolgt durch besondere Anordnung. Auf ihren Antrag sind sie zu entlassen.

§ 11

Ruhen der Zugehörigkeit zur Hitler-Jugend

(1) Für die Dauer des aktiven Wehrdienstes ruht die Zugehörigkeit zur Hitler-Jugend.
(2) Angehörige des Reichsarbeitsdienstes dürfen sich im Dienst der Hitler-Jugend nicht betätigen.

§ 12

Strafbestimmungen

(1) Ein gesetzlicher Vertreter wird mit Geldstrafe bis zu 150 Reichsmark oder mit Haft bestraft, wenn er den Bestimmungen des § 9 dieser Verordnung vorsätzlich zuwiderhandelt.
(2) Mit Gefängnis und Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer böswillig einen Jugendlichen vom Dienst in der Hitler-Jugend abhält oder abzuhalten versucht.
(3) Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag des Jugendführers des Deutschen Reichs ein. Der Antrag kann zurückgenommen werden.
(4) Jugendliche können durch die zuständige Ortspolizeibehörde angehalten werden, den Pflichten nachzukommen, die ihnen aufgrund dieser Verordnung und den zu ihr ergangenen Ausführungsbestimmungen auferlegt worden sind.

§ 13

Schlussvorschriften

Für die Jugendlichen der Jahrgänge 1921 bis 1929, die bisher der Hitler-Jugend noch nicht angehören, bestimmt der Jugendführer des Deutschen Reichs den Zeitpunkt der Anmeldung und Einberufung zur Hitlerjugend.

Berlin, den 25. März 1939