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Jugendheim Hospitalstrasse

Unsere Berichtsfolge der städtischen Jugendheime beginnt mit dem Haus an der Hospitalstraße 1. Es hatte in seiner langjährigen Geschichte sehr viele unterschiedliche Nutzungen erfahren. Unser Hauptaugenmerk liegt natürlich in erster Linie auf den Zeiträumen, welche für die Göttinger Jugend von Bedeutung waren. Die weiteren Verwendungen streifen wir nur kurz.


Historische Entwicklung

Das Gebäude wurde 1836 als Villa von
Ottfried Müller erbaut und trägt bisweilen noch heute seinen Namen. Nach dem Verkauf 1858 erfolgte der Anbau des großen Saales und veränderte damit sehr wesentlich das ehemalige Erscheinungsbild des Gebäudes. Gleichzeitig ergaben sich durch das Vorhandensein des großen neuen Saals samt Bühne die Möglichkeiten für viele bedeutende künstlerische und gesellige Veranstaltungen, die gerne von der Göttinger Bevölkerung angenommen wurden.

Frühere Außenansicht. Frühere Außenansicht. Treppenhaus mit Wandrelief Treppenhaus mit Wandrelief Kinosaal Kinosaal

1903 erwarb die Stadt das Haus.
Die jahrzehntelangen kulturellen Veranstaltungen waren fortan nicht mehr bestimmend. Verschiedene Einrichtungen, wie die Handelskammer und der Fremdenverkehrsverein bezogen die Räume.


Ein Haus für die Jugend

1913 entschied sich die Stadtverwaltung, das Haus stärker für die Jugendwohlfahrtspflege zu nutzen. Es folgten die Einrichtungen von Lese-, Spiel- und Vortragsräumen.

Werkstatt Werkstatt Großer Raum Großer Raum Innenraum Innenraum
Innenraum Innenraum Die Begegnungsstätte war ausschließlich für die männliche Jugend reserviert, Mädchen und Frauen waren ausgeschlossen.
Zusätzlich erfolgte auch die Einrichtung einer Jugendherberge, über die wir in einem separaten Kapitel näher informieren.

Diese Zeit währte jedoch nur sehr kurz. Denn schon mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges (1914) wurde das Jugendheim geschlossen. Unter anderem wurde in den Räumlichkeiten ein Reservelazarett eingerichtet.

Zeitschrift „Der Pfadfinder“ Zeitschrift „Der Pfadfinder“

Nach dem Ende des Krieges wurden dann nach und nach wieder einige Räume für die Jugendarbeit bereitgestellt. Ab 1925 konnten umfangreiche Renovierungen durch die Stadt abgeschlossen werden. Ein hauptamtlicher Jugendpfleger bezog eine Wohnung im Gebäude. Seine Aufgabe war es, die Verwirklichung der Zielsetzung pädagogischer Förderung, nunmehr für Jugendliche beiderlei Geschlechts. Ein umfangreiches Angebot entwickelte sich für die Jugend.

Ostern 1930 fanden unter anderem in den Räumen des Jugendheims mehrere Tagungen des Deutschen Pfadfinderbundes statt, der 1933 dann durch die Nationalsozialisten verboten wurde.
Zwei Ausschnitte aus der Zeitschrift „Der Pfadfinder“ dokumentieren die Tagung.


































Das Jugendheim erlebte eine einseitige
politische Ausrichtung

Ab 1933 – der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten – veränderten sich die durchgeführten Veranstaltungen unter neuen, völlig anderen Vorzeichen. Im selben Jahr wurde der Reichsverband für die deutschen Jugendherbergen der Hitlerjugend unterstellt, was eine freizügige Nutzung der Jugendherbergen insgesamt deutlich erschwerte, bzw. unterband.
1934 zog hier die Geschäftsstelle der Hitlerjugend ein.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs (1939) endete dann auch die Ära der nationalsozialistischen Jugendarbeit in dem Gebäude. Der Platz wurde für verschiedene Bereiche, wie ein Polizeirevier sowie den Sitz des Wirtschafts- und Ernährungsamtes benötigt.



Nach dem Krieg – eine kurze Episode für die Jugend

Das angestammte Jugendheim in der Hospitalstraße mit Gruppenräumen, Theatersaal und angeschlossener Jugendherberge wurde zunächst anderweitig genutzt und stand den Jugendlichen nicht zur Verfügung. Der Stadtjugendpfleger, Hermann Schmalstieg, konnte nur zwei kleine Räume, u. a. auch sein Büro, ab Ende Dezember 1945 dort nutzen.

Der englische Stadtkommandant sprach ein Machtwort.
Göttingens Jugendoffizier Major Oldham wollte unbedingt die Rückgabe des Jugendheims erwirken. Aus seiner Sicht war eine ausreichende Verfügbarkeit von Räumen für den Wiederaufbau der Jugendarbeit unerlässlich. Zunächst ließ sich die Göttinger Stadtverwaltung nicht darauf ein, das ehemalige Jugendheim an die Jugend zurückzugeben. Alternativen für andere geeignete Jugendräume wurden seitens der Stadt nicht vorgeschlagen.

Ein Erfolg in dieser Angelegenheit stellte sich erst ein, als der Stadtkommandant Colonel Bankert am 03.04.1946 verfügte, das Jugendheim an das Stadtjugendamt binnen dreier Wochen zu übergeben.

Bereits kurze Zeit später – Anfang 1947 – wurde dann das neue Jugendheim an der Bürgerstraße bezogen.



Spätere Verwendung des Gebäudes

Nach dem endgültigen aus als Jugendheim kam es erneut zu wechselvollen Verwendungen des Gebäudes. So waren dort die Kammerspiele, Kino, Volkshochschule und seit 1976 bis heute das Junge Theater sowie das Kultur- und Aktionszentrum (KAZ) präsent.

Ansicht nach 1952 Ansicht nach 1952 Ansicht 1972 Ansicht 1972 Ansicht 2008 (Bild Pfadfinderarchiv) Ansicht 2008 (Bild Pfadfinderarchiv)

Stellenwert und Bedeutung aus Sicht des Stammes

Mit der Gründung des Göttinger Stammes im Jahr 1931 besaß er die komfortable Situation, in der Gemeinde St. Michael ausreichend Gruppenräume nutzen zu können. Somit war er im Gegensatz zu manch anderen Göttinger Gruppen und Verbänden nicht auf Räume im Jugendheim an der Hospitalstraße angewiesen.
Denkbar ist es allerdings, dass bei Besuchen anderer Georgspfadfinder in Göttingen die Jugendherberge – auch aufgrund der räumlichen Nähe – genutzt wurde. Allerdings spätestens ab 1933 war das dann auch nicht mehr möglich.

Wie vorstehend erwähnt, befand sich die Geschäftsstelle der Hitlerjugend im dortigen Gebäude. Eine nicht so erfreuliche Begebenheit aus DPSG Sicht beschreiben wir hier.

In der Zeit nach der „Wiedereröffnung“ im Jahr 1946 nahmen Göttinger Führer dann in der Hospitalstraße an den Sitzungen des neu gegründeten Stadtjugendrings teil.

Da der Stadtjugendpfleger Herr Schmalstieg hier kurzzeitig sein Büro hatte, gab es diesbezüglich diverse Kontakte mit den Führern des Stammes.

Die Gruppen des Stammes trafen sich allerdings nach dem Krieg erneut in den Gemeinderäumen von St. Michael.


Quellen: